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Archiv Erika + Jürg - Reiseberichte - Südamerika 2010+ - Argentinien 2010 B - Feuerland

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20. … 23. Dezember

Reiseroute: Rio Gallegos – Grenze Argentinien/Chile – Fähre Magellanstrasse – Grenze Chile/Argentinien – Rio Grande - Ushuaia - Rio Grande - Grenze Argentinien/Chile - Fähre Magellanstrasse – Punto Arenas, total 1219 km. Fotogalerie A, Fotogalerie B

 

Hinweis: Der in diesem Subkapitel beschriebene Reiseabschnitt liegt natürlich teilweise in Chile und wurde zwecks einfacheren Aufbaus dem Hauptkapitel Argentinien B zugeordnet.

Und nun also geht’s zum sagenumwobenen Feuerland, welches von Magellan so benannt wurde, weil er hier angeblich viele Feuer der Indios  des Nachts brennen sah….

Wir fahren von Rio Gallegos zur chilenischen Grenze und erreichen kurz darauf die Magellanstrasse, welche man hier an schmaler Stelle mit einer Fähre überqueren kann. Bei steifem und kaltem Wind haben wir zu warten, und als ich fotografieren will, reisst mich eine Windböe fast zu Boden. Dann endlich können wir übersetzen, es dauert nur 20 Minuten. Ein eindrücklicher Augenblick für uns, die Wege von Magellan, Darwin und anderen berühmten Entdeckern und Forschern zu kreuzen…

Ab hier fahren wir also auf Tierra del  Fuego, wie es wohltönend auf Spanisch heisst. Und wie in der Routenbeschreibung ersichtlich, befinden wir uns nun in Chile, welches sich in früheren Auseinandersetzungen mit Argentinien die Herrschaft über die Magellanstrasse komplett gesichert hatte. Wir haben es nun mit 120km ruppiger Naturstrasse zu tun.  Wiederum überqueren wir hierauf die Grenze und befinden uns somit auf dem argentinischen Teil der Hauptinsel von Feuerland. Wir erreichen Rio Grande am Atlantik. Langsam weicht die wüstenähnliche Pampa einer Graslandschaft, wo entweder Guanako- oder Schafherden weiden. Es hat nun häufig Schaf-Estancias.

In der Ferne sehen wir schneebedeckte Gebirgszüge der Anden, welche noch etwa 2000m Höhe erreichen. Das Gras wird fetter und es hat Laubwaldpartien, welche immer grössere Flächen einnehmen und schliesslich das weite Grasland zu einzelnen Lichtungen degradieren. Je kleiner diese werden, desto weniger Guanakos hat es, oder desto weniger sieht man sie. Es hat immer wieder Hasen, welche aufgeschreckt davonrennen, wenn wir auftauchen, oder welche bereits überfahren auf der Strasse liegen. Manchmal fliegen Raubvögel weg, welche sich gerade an einem solchen Strassenopfer gütlich tun.

Wir haben sonniges Wetter und spüren im Auto den rauen Wind nicht. Allerdings muss ich das Steuer wirklich fest halten, um auf jede Böe gefasst zu sein. Wir geniessen die Landschaft mit ihren weichen, grünen Farben. Die vielen Laubbäume sind mit Flechten behangen, was auf die grosse Luftfeuchtigkeit hier hinweist. Es ist eine märchenhafte, oder sogar etwas mystische Landschaft… Wir erreichen nun hinter einem ersten Andenrücken den etwa 150km langen Lago Fagnano. Der Westwind pfeift über diesen See und schiebt eine dunkle und drohende Wolkenfront vor sich her. Wir beeilen uns also weiterzufahren, denn wir haben gelesen, dass in Ushuaia an einem einzigen Tag alle Jahreszeiten abgehalten werden können. Noch haben wir Sonne, im Auto scheinbare Wärme, und damit Sommer. Wir fahren über den 400m hohen Pass, und siehe da, es schneit leicht. Glücklicherweise wird die Sicht sofort wieder besser, so dass wir die Rundsicht etwas geniessen können. Dann geht es abwärts zwischen verschneiten Berggipfeln, durch Täler mit Feuchturwäldern und Moorlandschaften.

Plötzlich liegt Ushuaia vor uns, die südlichst gelegene Stadt der Erde. Das „pittoreske“ an dieser Stadt ist das Gewirr von verschiedensten Baustilen eines Ortes, welcher wegen des Tourismus zu rasch gewachsen ist, ohne ordnende Hand. Es hat kaum noch Bausubstanz, welche an die spanische Kolonialisation erinnert. Hier ist der Himmel wolkenverhangen, und gibt die Szenerie der umliegenden Berge kaum frei. Der Blick auf den Beagle Kanal erinnert an das Gedicht vom Fischer und seiner Frau: Dunkle, fast schwarze Wolken über dunkelblauem Meer. Wir denken auch an das berüchtigte, noch etwas weiter südlich liegende Kap Horn, wo viele Seefahrer ihr Schiff und ihr Leben verloren haben in den rauen Stürmen von der Antarktis her.

Auch am Folgetag weht der starke Wind, einmal von Südwesten, dann wieder von Südosten. Wir reisen deshalb ab. Wir haben das Ende der Welt gesehen. Die Fahrt geht zurück über den Pass durch die hier recht niedrigen Anden, durch die mystischen Waldlandschaften mit Flechten behängt. Es zieht uns nordwärts in wärmere und sonnigere Gegenden.

Erika möchte unbedingt eine Schaffarm ansehen. Etwas skeptisch biege ich bei einer Hazienda von der Hauptstrasse ab und weiss nicht so recht, wo wir anhalten, und wo wir wen was fragen sollen. Hinter den Ökonomiegebäuden stellen wir den Geo ab und sehen tausende von Schafen in relativ kleinen Gehegen zusammengepfercht. Irgendwo dahinter scheinen Gauchos damit beschäftigt, Schafe zusammenzutreiben. Wir getrauen uns, einfach in das grosse Gebäude ungefragt einzudringen. Wir stossen durch Gänge und Treppen bis zu der Stelle vor, wo tatsächlich vier Scherer daran sind, in horrendem Tempo Schaf um Schaf zu scheren.

Es ist interessant, wie die Männer jeweilen geschickt ein Schaf aus einem kleinen Pferch packen, wenige Meter zum Scherplatz ziehen und auf den Rücken drehen. Die Schafe wehren sich in keiner Weise, obwohl es eigentlich scheue Tiere sind dem Menschen gegenüber. Sie sind in der gehaltenen Position offensichtlich derart wehrlos, dass sie während der ganzen Scherprozedur still halten. Die Männer scheren so, dass die gesamte Wolle an einem Stück zusammen bleibt. Ist ein Schaf „entkleidet“, zieht der Scherer hinter sich eine Art Flügeltüre auf und stösst das Schaf hinaus in den Zählpferch.

Die Männer arbeiten ohne Pause und nehmen kaum Notiz von uns; da kommt plötzlich der Besitzer herein und begrüsst uns freundlich und beantwortet unsere unzähligen Fragen.

Es sei eine Scherergruppe, welche gemeinsam entsprechend der Gesamtleistung einen Lohn erhalte. Der Chef der Gruppe muss dann das Geld aufteilen auf die vier Scherer, und auf die übrigen drei, von denen einer dauernd den Boden reinigt und die „Scherfelle“ zusammenrafft und auf einen Prüftisch legt. Dort kontrollieren zwei laufend die Qualität und entfernen Stücke mit schlechterer Wolle. Die Leitung der Kontrolle und Triage hat ein separat bezahlter, von der Schergruppe unabhängiger Mann, welcher grosse Erfahrung bezüglich Wollqualität hat. Die „Scherfelle“ werden weiter unterteilt nach AAA-Qualität oder schlechter, wobei AAA bedeutet, dass die Wollfasern lang sind, weiss und feiner als 25um. All die verschiedenen Wollqualitäten werden separat in etwa kubikmetergrossen Ballen in Kunststoff verpackt und beschriftet.

Uns erstaunt, wie die zehn Leute praktisch ohne Pause „krampfen“. Ein Scherer stösst sein gerade geschorenes Schaf zur Schiebetüre hinaus, drei Sekunden später packt er im kleinen Pferch das nächste und weitere drei Sekunden später setzt er bereits die Schere an.

Der Besitzer schätzt, dass ein Scherer pro Schaf etwa 50Rp erhält und etwa 250 Schafe pro Tag schert. Die Farm hat ungefähr 20000 Schafe, was also etwa 20 Arbeitstage härtester Arbeit für das Team bedeutet.

Nachdem wir nun die dicken Scherfelle gesehen haben, ist uns klar geworden, warum diese Tiere das raue Klima hier aushalten. Die sind wirklich von Natur aus wesentlich wärmer angezogen als wir.

Umso mehr haben wir weiterhin Bedauern, wenn wir die Kühe im Wind draussen sehen, oder die an einem Seil angebunden Pferde.

Die Guanakos wiederum scheinen sehr gut gegen die Kälte gewappnet zu sein, und ich hatte nie den Eindruck, dass sie den schützenden Wald aufsuchen würden. Sie liegen ganz einfach in den Wiesen herum. Allerdings kann ich meine Meinung nicht beweisen, weil ich in den dichten Wäldern nirgends nachgeschaut habe…

Wow, welch wunderbares Ereignis dank Erikas Vorschlag.

Dann geht’s weiter über den chilenischen Teil der grossen Feuerlandinsel, zurück über die Magellanstrasse. Diesmal drehen wir aber nach Westen und erreichen nach einer Monsteretappe die chilenische Hafenstadt Punta Arenas, ebenfalls an der Magellanstrasse gelegen.