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Archiv Erika + Jürg - Reiseberichte - Südamerika 2010+ - Brasilien 2010 - Rio de Janeiro

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28. Oktober … 1. November

Reiseroute: Rio de Janeiro, total 105 km. Fotogalerie

Wir haben eine weite, anstrengende Anreise hinter uns, und können uns nun entspannen in dieser einmalig schön gelegenen Stadt. Allerdings sind wir für 20 Tage nur „Rucksackreisende“, bis wir in Buenos Aires unseren Geo werden abholen können. Wir wollen aber keinesfalls nur Daumen drehen, sondern diese Zeit nutzen, um von Brasilien einige Highlights mitzubekommen.

Dazu gehört nun als erstes Rio de Janeiro, welches weder Hauptstadt (Brasilia), noch die grösste Stadt (Sao Paulo) ist.

Rio ist eingebettet in  unzähligen Buchten und kleinen Ebenen zwischen felsigen Hügeln und kleinen Bergkuppen. Die bekanntesten davon sind der Zuckerhut und der Corcovado. Lange und traumhaft schöne Sandstrände schliessen die Buchten gegen das Meer ab. Wer hat nicht schon von der Copacabana gehört, um nur einen davon zu nennen.

Zwar haben wir Respekt bezüglich der vielen Schilderungen von Diebstählen und Raubüberfällen; aber wir halten uns an die Regeln, praktisch keine Wertsachen auf uns zu tragen und lediglich Kopien der Pässe. Die Concierges der Hotels und die Reiseführer bei Veranstaltungen geben weitere Tipps, welche Quartiere man auch tagsüber meiden soll. Des Nachts sollte man sowieso überall ein  Taxi benützen.

Wir fühlen uns sofort wohl beim Schlendern durch diese grüne, lebendige Stadt, wo es nur so wimmelt von Menschen mit den verschiedensten Hautfarben und Rassenmischungen. Aus diesem Mix sind über die Jahrhunderte sehr schöne Menschen entstanden, Männer wie Frauen. Oftmals haben sie fantastische Figuren. Andere büssen die sprichwörtlich brasilianische Fresslust mit einem gewaltigen Hintern, und/oder einem weit vorstehenden Bauch. Alle für Touristen angebotenen Ausflüge und Tagestouren haben auf dem Prospekt unter anderem ein Schlemmermahl abgebildet. Bei unserer City-Tour werden wir entsprechend überfallen und überfordert mit einem Salat- und Gemüsebüffet reichster Auswahl, sowie den anschliessend von Spiessen auf den Teller abgestreiften Fleischstücken, etwa 10Sorten, und dies à discrétion. Aber wir sind ja nicht zum Essen hier…

Unser erster Ausflug gilt gleich der Copacabana, dem berühmten Strand von Rio. Durch die engen Häuserschluchten streben wir dem Licht dort vorne entgegen. Vor uns liegt noch eine breite Avenida, welche wir überqueren, dann befinden wir uns auf dem 4km langen Sandstreifen, eingerahmt beidseits von zwei Felsen und auf der Rückseite von einer Häuserfront, meist etwa 20stöckige Hotels und Geschäftshäuser. Es ist Vormittag, man sieht die ersten Sonnenhungrigen am Strand liegen, oder Jogger und Walker, welche dem Strand entlang laufen.

Die Sonne brennt bereits, also ziehen wir uns in die Häuserschluchten zurück, wo nicht zuletzt dank der vielen Bäume reichlich Schatten vorhanden ist. Die Copacabana besuchen wir dann am späten Nachmittag wieder. Nun ist der Strand noch viel belebter: Ein paar Knaben trainieren Torschuss. Ein Trainer steckt mit seiner Jugendmannschaft ein Spielfeld ab und hängt Netze in die beiden aus Holzlatten gebildeten Torrahmen. Dann beginnen sie zu spielen, mit viel Einsatz und Ehrgeiz, aber auch bereits mit einigem technischen Können. Ob da wohl ein zukünftiger Pelé dabei ist? Am Rand des Strandes zur Avenida hin hat es Cafés und kleine Imbissrestaurants, wo sich junge Leute treffen und plaudern. Auch wir essen hier einen Happen und geniessen das Abendlicht und den Sonnenuntergang. Gemäss den eingeprägten Sicherheitsregeln ziehen wir uns nun sofort zurück in unser Hotel.

Ein nächster Höhepunkt unserer Stadterkundungen ist am Folgetag die Fahrt mit dem historischen Tram, über einen Viadukt steil hinauf zum Quartier St. Theresa. Das Bähnchen fährt fast Schritttempo und muss auch engste Kurven bewältigen, wobei der entgegenkommende Autoverkehr immer wieder Spektakel verursacht, bis dann endlich alle ordentlich eingespurt sind und das Bähnchen gekreuzt haben. Hie und da hängt der Stromabnehmer von der Fahrleitung ab. Dann hält man halt an und hievt die Stange mit der Stromabnehmerrolle wieder an ihren Platz, und weiter geht’s.

St. Theresa ist eine Art Künstlerviertel; allerdings wissen das auch die Touristen, welche in Scharen das malerische Bild der alten und bunten Bauten beeinflussen, und damit gleichzeitig etwas verunstalten. Man muss halt seine Fotos schiessen, wenn möglichst wenige der Touristen im Weg stehen…

Um einen Überblick über die weitläufige Millionenstadt zu gewinnen, gilt unser nächster Besuch dem Corcovado, einem 710m hohen Aussichtsberg (mit der berühmten 38m hohen Christusstatue). Wir stehen zwar mehr als 1½ Stunden Schlange, bis wir endlich mit der Zahnradbahn hochfahren können. Wir werden aber durch eine grandiose Aussicht belohnt. Wir können nun die verschiedenen Stadtteile, Buchten und zwischenliegende Felsen besser zuordnen, und von hier lassen sich die schönen Wohnviertel deutlich unterscheiden von den Favelas, den Hüttensiedlungen der Ärmsten der Armen. Wir können das berühmte Maracana-Stadion sehen, welches 100‘000 Zuschauer fasst, und natürlich den Zuckerhut, welcher zwar lediglich 395m hoch ist, aber am Eingang der grossen Hafenbucht eine sehr dominante Stellung einnimmt. Auch den Corcovado müssen wir mit einer grossen Zahl von Touristen teilen. 

Sie stören uns kaum beim sinnlichen betrachten dieser wundervoll gelegenen Stadt. Andererseits belustigen sie uns mit ihren fotografischen Verrenkungen und ihrer Gestaltung von Bildkompositionen. Wir runden diesen Tag ab mit einer weiteren Tramfahrt nach St. Theresa.

Am Folgetag können wir endlich eine Stadtrundfahrt belegen, damit wir die Zusammenhänge etwas besser erklärt bekommen und den Überblick über Rio verbessern. Das Wetter ist bedeckt und regnerisch, und von der Spitze des Corcovado sehen wir heute praktisch gar nichts. (So muss es den Japanern ergehen, wenn sie bei Wind und Wetter auf den Pilatus und das Jungfraujoch gefahren werden…). Man führt uns auch noch auf den Zuckerhut, wo wir durch Nebel verhüllt Teile der Stadt erkennen können. Der Höhepunkt für uns ist jedoch der Besuch der modern gestalteten Kathedrale, mit ihren kreuzförmig angeordneten Glasmalerei-Fenstern bis zur Kuppel hochgezogen.

Wir durchfahren mit dem Bus auch einige Randgebiete mit Favelas. Diese Armensiedlungen am Stadtrand wachsen und wachsen. Ob Rio gegenwärtig 12 oder 16 Millionen Einwohner hat, weiss man nicht genau. Im Februar werden dann Zahlen bekannt sein von einer kürzlich durchgeführten Volkszählung.

Tagsüber nutzen wir jede Gelegenheit, in den „sicheren“ Quartieren herumzuschlendern. In den engen Strassen hat man auch immer genügend Schatten, auch dank den vielen Bäumen. Abends setzen wir uns vor unser Hotel und sehen von sicherer Stelle aus dem Treiben auf der Strasse zu. Zum Beispiel wie der Eishersteller gegenüber sein Produkt in Plastiksäcken eingeschweisst ausliefert, von Fahrrädern mit Anhänger in der Stadt verteilt. Sein Nachbar besitzt anscheinend eine Unzahl von Verkaufsständen, welche gegen Abend von einzelnen Angestellten oder Freelancern abgeholt werden, aufgefüllt mit Getränken, Sandwiches sowie allerlei Zeugs zum Naschen. Jedes dieser Fahrzeuge scheint anders beladen und die mobilen Stände sind auch unterschiedlich gross. Ein Platzregen tut dem Ganzen keinen Abbruch.  Zur Standausrüstung gehören Schirme, und es wird wohl auch bald wieder aufhören zu regnen. Weiter rechts ist eine Bierstube, wo im Fernsehen ein Fussballmatch gezeigt wird. Jedermann hängt hier an der Glotze, auch vom Trottoir her.

Es hat viele lohnenswerte Fotoobjekte: Häuser aus der Kolonialzeit, daneben moderne Hochhäuser, malerische Gassen, fahrlässige elektrische Installationen an Häuserfronten und Menschen, mit den verschiedensten Gesichtsausdrücken und Hautfarben, elegant bis verrückt gekleidet…  Erika und ich haben auf Anhieb Rio in unser Herz geschlossen.