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Archiv Erika + Jürg - Reiseberichte - Südamerika 2010+ - Argentinien 2010 A - Buenos Aires

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12. … 20. November

Reiseroute: Foz do Iguazu – Buenos Aires - Gualeguaychu, total 1739 km. Fotogalerie

Wie Buenos Aires mit mehr als 14 Millionen Einwohnern als Tourist erobern und verstehen, ohne die markante Geländestrukturierung und die grossen Aussichtsberge wie bei Rio de Janeiro? Ein fast unmögliches Unterfangen…

Mit einer ersten City Tour versuchen wir einen Überblick zu gewinnen. Allerdings werden wir mit englischem Kommentar klar benachteiligt. Portugiesisch oder Spanisch müsste man können…

Uns ist die lockere Atmosphäre auf Anhieb sympathisch, welche an Rom oder Madrid erinnert. Natürlich auch wegen der überwiegend weissen Hautfarbe der Bewohner. Es hat fast keine Schwarze, höchstens einige Indios oder Mischlinge aus Indios und Weissen.

Dann getrauen wir uns auf eigene Faust Ausflüge, z.B. nach La Boca und Caminito, wo im Stadion von La Boca jeweils die Boca Juniors spielen, bei welchen auch Maradona gross wurde. Wir lassen uns tatsächlich zu einem Fussballspiel führen, besuchen allerdings nicht den Klassiker Boca Juniors gegen River Plate; das ist uns etwas zu riskant. Wir sehen dafür den Match zwischen Velez, dem gegenwärtigen Ranglistenersten, und Lanus, einer Mannschaft aus einem westlichen Vorort. Es ist eine herrliche Atmosphäre. Die Zuschauer singen während des gesamten Matches, winken rhythmisch mit den Armen und hie und da hüpfen sie auf und ab, so dass die Betonstruktur unter unseren Sitzen bebt und vibriert. Es ist eine gewaltige Begeisterung zu spüren, aber friedlich. Nach dem Match wird geduldig gewartet, bis die Tore aufgehen und man auf die Strassen gelangen kann. Jedermann diskutiert und verhält sich friedlich.

Caminito ist ein Künstlerviertel, innerhalb des geschichtsträchtigen, einfachen Stadtgebietes La Boca. Es hat zwar viele Touristen, aber die Szenerie ist farbenfroh, und man kann Darbietungen von Tango und die ausgestellten Gemälde bewundern. Die alten Gebäude, häufig mit Wellblechwänden versehen, wurden seit jeher mit Farbresten von Schiffsanstrichen angemalt. Daraus resultiert heute die fröhliche, bunte Vielfalt dieses Stadtteils.

Dagegen kontrastieren die reicheren Viertel, mit vielen europäisch anmutenden Gebäuden, sowie vielen modernen Hochhäusern. Dazwischen hat es breite Avenidas, welche meist im Einbahnverkehr benutzt werden, aber immer mehrspurig. Am Rande sind sie oft gesäumt von den blau blühenden Jakarandabäumen, manchmal fast Alleen. Den ganzen Tag über herrscht lebendige Verkehr, von farbenfroh gespritzten Bussen, vielen Privatautos und einer Unzahl schwarzgelber Taxis. Autofahrer nehmen weder auf Fussgänger, noch auf andere Autofahrer Rücksicht. Wer schneller ist, ist eben schneller….

Für Fussgänger ist aber gesorgt in grosszügig eingerichteten Fussgängerzonen, so in der Avenida Florida, wo unzählige Indios und Weisse am Boden ihre Ware ausbreiten und feilbieten. Es hat eine Wahrsagerin an der Ecke und immer wieder Musiker, oder Tangotänzer, welche mit ihren Darbietungen ein Trinkgeld verdienen wollen.

Wir besuchen das traditionsbewusste Café Tortoni, wo wir im altehrwürdigen Bewirtungsraum unseren Kaffee schlürfen, und dem Publikum zusehen. Die Wände sind behangen mit Kunstwerken. Man zeigt in der ganzen Stadt, welchen Stellenwert die Kultur und die Kunst hier haben. Am Abend besuchen wir dann im Keller des Café Tortoni eine Tango Show, mit einem Life Orchester und Live Gesang. Es ist für Erika und mich als frühere Latin- und Standardtänzer erstaunlich, welche Facetten und Unterarten man hier aus dem Tango-Rhythmus herausholt. Auf jeden Fall erinnern die hier gepflegten Tango-Stilarten nicht wie bei uns an einen Stierkampf, sondern eher an das Liebeswerben des Mannes um die Frau, oder umgekehrt.

Wir essen gerne in echt argentinischen Restaurants mit wenig oder keinen Touristen. Hier können wir die eleganten grauhaarigen Herren beobachten, welche ihre Zeitung studieren und einen Mathe-Tee trinken, oder die eleganten, häufig älteren Damen, welche mit anderen zusammen ihren Kaffee trinken, massenhaft Süssigkeiten dazu verspeisen und miteinander schwatzen…

Daneben hat es uns ein Restaurant an der Ecke Avenida Florida / Avenida Cordoba angetan, wo wir im Freien sitzen können, einem Saxophonspieler lauschen und dem Vorbeimarsch der eiligen Argentinier oder der schlendernden Touristen zuzuschauen.

Eine zweite City-Tour bringt nach etlichem Insistieren meinerseits sogar den versprochenen Deutsch-Kommentar am Kopfhörer, doch auch hier zeigt sich das scheinbare Zufriedengeben der Argentinier mit einem Teil der vorgesehenen technischen Funktionen eines Fahrzeuges oder einer Einrichtung. Wir müssen die richtige Sitzreihe selber herausfinden, damit jeweils die Kopfhörerbuchse 4 (von 10Buchsen insgesamt) auch wirklich ein deutsches Signal zu unseren Kopfhörern bringt. So ist’s auch in unserem Hotel. Von 10 Lampen funktionieren deren 5, von drei Steckdosen gerade eine. Ich mache mir hier echt Sorgen wegen der Brandgefahr, ob all dieser behelfsmässigen elektrischen Installationen. Draussen in den Gassen und Strassen kann ich dann eher wieder belustigt feststellen, wie die Verkabelungen von Haus zu Haus ganz einfach von Dachecke zu Dachecke gehängt werden.

Erika ist begeistert von dem tausendfachen Schuhangebot für die Damen. Die meisten sind natürlich sehr hochhackig, aber immer sehr elegant und ästhetisch. Im Vergleich zu Rio schneiden aber die Frauen eher schlechter ab. Es hat zwar eine ganze Anzahl schlanker, schön gekleideter Damen. Daneben gibt es aber eine ebenso grosse Zahl von fettleibigen Frauen und Männern. Der sprichwörtliche Fresstrieb zeigt hier seine Folgen: Riesige Fleischstücke, über alles wird noch zusätzlich Olivenöl gegossen, der Kaffee wird mit etwa 5 Löffeln Zucker gesüsst, und Patisserie wird in Mengen verdrückt etc

Eigentlich warten wir ja hier in Buenos Aires auf die Ankunft des Containers mit unserem Geo. Doch die Zeit geht im Nu vorüber. Frühzeitig nehmen wir mit Jeremy und Richard Kraayenbrink Kontakt auf, unseren Agenten hier. Schliesslich ist es am 19. November soweit: Wir verbringen den Tag weitgehend wartend am Hafen, obwohl wir den Geo schon gegen 11Uhr aus seinem Verliess befreien können. Der argentinische Zollcomputer erwartet ganz einfach eine 13stellige Identifikationsnummer des Autobesitzers, und mein Pass kennt halt einfach nur eine achtstellige. Es braucht schliesslich einen schriftlichen Antrag und 100$ Bestechungsgeld, damit wir das Auto um 1630Uhr endlich aus dem Hafengelände herausfahren dürfen.

Noch am gleichen Abend montiere ich die Ersatzräder und die Kiste auf das Dach, damit wir am Folgetag ohne grössere Anstrengungen losfahren können.