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Archiv Erika + Jürg - Reiseberichte - Südamerika 2010+ - Rückblickend

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Unsere vierte und letzte Etappe nannten wir Südamerika, obwohl wir auf dieser Tour nur die südliche Hälfte dieses Kontinents bereisten (wir hatten bereits in früheren Jahren Venezuela, Ecuador und Peru besucht).

Brasilien haben wir als Rucksackreisende besucht, weil die brasilianischen Zollbehörden das Einreisen mit eigenem Fahrzeug fast behindern. Trotzdem möchten wir in unserer Erinnerung die vier besuchten „Rosinen“ nicht missen: Rio de Janeiro, das Feuchtgebiet Pantanal, die Wasserfälle von Iguazu und das gewaltige Kraftwerk Itaipu. Wir waren beeindruckt von den gewaltigen Wassermengen, welche den Wasserkreislauf unseres Planeten so richtig sichtbar werden lassen, ebenso von der geballten Lebenskraft der tropischen Vegetation.

Erika und ich sind nicht eigentliche Städtereisende, aber wir haben die Gelegenheit genutzt und es genossen, etwas vom Hauch der beiden Grossstädte Rio de Janeiro und Buenos Aires einzuatmen: Da ist Rio mit seinen freundlichen, schönen Menschen in allen Hautfarben und den Samba-Rhythmen. Die Stadt wunderschön zwischen Bergen und Buchten eingebettet, die meisten der Strassen mit langen Reihen von schattenspendenden Bäumen. Nicht zu vergessen das romantische Tram hinauf ins Künstlerviertel Santa Theresa, der Aussichtsberg Corcovado und der berühmte Zuckerhut und die Copacabana.

Und hier Buenos Aires, mit eher europäischem Antlitz, einer Unzahl von architektonischen Meisterwerken aus Vergangenheit und Gegenwart, mit eleganten Menschen, Geschäften  und Restaurants.  Mit dem charmanten Stadtteil La Boca und den Tangodarbietungen in vielen Strassen und Cafés. Beides Riesenstädte mit gegen 15 Millionen Einwohnern. Für uns kleine Schweizer fast nicht vorstellbar…

Uruguay und Paraguay besuchten wir nur kurz, um gerade mal eine Ahnung zu haben von den beiden kleinen Ländern. Für Argentinien und Chile nahmen wir uns dann mehr Zeit: In Argentinien fuhren wir der Ostseite der Anden entlang gegen Süden, und zwar auf der berühmten Ruta Cuarenta, einer fast 5000km langen Strasse über Hochebenen, durch Andentäler und über Pässe, mit unendlich vielen bizarren Ausprägungen und Erosionsformen des vielfarbigen Andengesteins.

Im Norden noch fast subtropische Vegetation, wechselte das Landschaftsbild und Klima zu trockenen Wüsten, dann wiederum zu feuchteren Gebieten mit grünen Wäldern und Seen, und schliesslich mit Gletschern bis fast auf Meereshöhe herunter reichend. Als Kontrast erlebten wir dann die rauen und weiten patagonischen Ebenen, karge Steppen oder Halbwüsten. Wir fragten uns, wie die hier weidenden Schafe, Guanakos, Nandus, Esel und Pferde diesen Wind und die Kälte überstehen, und wie sie von dem wenigen Gras und Gestrüpp leben können.

Feuerland, der südlichste Teil des Kontinents, muss ständig starken Winden und schnell wechselndem Wetter trotzen. Dank den Ausläufern der Anden ist es hier genügend feucht, so dass liebliche Wiesen und flechtenbehangene Laubwälder die Landschaft prägen.

Von Ushuaia aus, der südlichsten Stadt der Erde, wechselten wir nun wieder  nordwärts fahrend so bald als möglich auf die westliche Seite der Anden, folgten in Chile der berühmten Carretera Austral nordwärts und durchquerten hier die valdivianischen Urwälder. Dann stiessen wir weiter nördlich auf das grosse Seengebiet, mit vielen schneebedeckten Vulkanen. Von hier gegen Norden erstreckte sich bis Santiago die landwirtschaftich intensiv genutzte Zone, auffallend die Zuckerrohrplantagen, die riesigen Nutzholzpflanzungen und der Rebbau.

Hier bereisten wir auch die Küstengegend, welche ein Jahr zuvor vom gewaltigen Erdbeben und dem anschliessenden Tsunami heimgesucht wurde. Wir fühlten uns fehl am Platz als neugierige Touristen. Aber die Leute hier sind fast unbeugsam und an die Naturkatastrophen gewohnt. Sie nehmen das hin, räumen auf und leben weiter. Sinnbild dafür war dann die moderne Hauptstadt Santiago, wo man trotz häufig auftretenden Erdbeben elegante Wolkenkratzer baut, angeblich die stärksten der Welt.

Nördlich von Santiago beginnt bald einmal die Atacama, die trockenste Wüste der Erde. Sie umfasst von Westen gegen Osten gesehen häufig einen schmalen Küstenstreifen, die Küstenanden, dann eine etwa 1000 bis 1500m hohe und einige 100km breite Hochebene, langsam ansteigend in Richtung der Westkordillieren. Allein der chilenische Teil der Atacamawüste (welche sich als Ganzes  bis weit nördlich nach Peru erstreckt) hat eine Süd-/Nordausdehnung von über 2000km. Wenige tiefe Täler durchfurchen den Wüstensand und die Hochebenen hin zum Pazifik. Dank dem Wasser, welches die Flüsse von den Westkordillieren her mitbringen, sind die Talböden fruchtbar und wahre Oasen. Die Städte Iquique und Arica sind an der Pazifikküste und an solchen Flussmündungen wie angeheftet. Sie haben ihre Grösse und Bedeutung erlangt als Hafenorte für das Verladen von Kupfer, Erzen und Mineralien (früher vor allem Salpeter), wie überhaupt die Atacamawüste durchlöchert und aufgegraben scheint mit hunderten von Tagebau- und Untertagbauminen.

Östlich der Atacamawüste befinden sich vereinfacht gesehen die West- und Ostkordillieren, dazwischen der 3500 bis 4500m hoch liegende und 100 bis 300km breite Altiplano. Die Gipfel und Vulkane der Westkordillieren erreichen Höhen von über 6000m. Die Luftmassen vom Pazifik her kommend werden dort abgekühlt, so dass Niederschläge  auftreten, im Gegensatz zur Atacama. Die Punalandschaft des Altiplano ist eine Mischung von Sandwüsten, dazwischen Feuchtgebiete mit Graslandschaften und Lagunen.

Man sieht häufig wild lebende Vikunjas und Flamingos, aber auch Lama- und Alpakaherden, welche von den Indios gehalten werden. Es sind traumhafte Landschaften, in feinen Farben und Tönen, mit der Wucht der schneebedeckten 6000er im Hintergrund.

Den Altiplano auf über 4500m zu bereisen ist nicht so selbstverständlich. Nicht jeder Körper ist schnell oder überhaupt anpassungsfähig an diese Höhen mit dem geringen Sauerstoffangebot. Vor allem das Schlafen kann zum Problem werden. Wir mussten aus diesem Grund den Plan, über den bolivianischen Altiplano zu fahren, aufgeben, und dann über tausend Kilometer südlicher die Anden überqueren, um zurück nach Argentinien zu gelangen. Auf Höhen von ca. 2500m übernachtend machten wir dann unsere Entdeckungsreisen auf den Altiplano mit Tagesausflügen.

 

Was war denn nun das Schönste auf dieser Reise? Für mich war es einmal mehr der Wechsel der Landschaften, der Klimas, die tausend Gesichter der Natur dieses wunderbaren Kontinents.